Trotz aller Fortschritte in Gesetzgebung und Regierungshandeln: Die jüngsten Statistiken zeigen, dass die Europäische Union das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter nur teilweise erreicht hat. Der Gleichstellungindex des EIGE 2015 unterstreicht, dass so gut wie kein Fortschritt in der Stärkung der wirtschaftlichen Stärkung der Frau erreicht worden ist. Während die Erwerbstätigkeitsrate der Männer bei 77,4 % liegt, liegt die der Frauen bei nur 65,5 %. Zwar ist die Rate in den letzten Jahren angestiegen, jedoch zeigt sich immer noch ein Abweichen von mehr als 10 % zu der Rate der Männer. Länderspezifisch zeigen sich besonders in Griechenland, Italien, Malta und Rumänien starke Unterschiede in der Erwerbtätigkeitsrate zwischen Männern und Frauen. Die größte Differenz von 27% zeigt sich in Malta. Deutschland steht mit einer Differenz von 8 % relativ weit vorne in der Liste der EU-Staaten. Litauen ist mit einer Differenz von 2% Spitzenreiter.
Die Geschlechterungerechtigkeit zeigt besonders deutlich in der Anzahl unbezahlter Arbeitsstunden. Während Frauen europaweit durchschnittlich 22 Stunden in der Woche unbezahlt arbeiten, arbeiten Männer weniger als 10 Stunden die Woche unbezahlt. Auch in Deutschland zeigt sich dieser Unterschied. Frauen arbeiten durchschnittlich 20 Stunden die Woche unbezahlt, während es bei Männern nur 7 Stunden sind. Besonders deutlich wird die Geschlechterungerechtigkeit, in der Verteilung der CEO’s und Vorstandspositionen. Männer nehmen europaweit 92,3% der Vorstands- und 94,3% CEO-Positionen ein.
In vielen Regionen der Welt werden Frauenrechte wieder bedroht. G20 muss erneut die Gleichheit zwischen Frauen und Männern sowie Frauenrechte als Menschenrechte bestätigen. Das economic empowerment von Frauen, ist nicht nur eine Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltiges inklusives Wachstum sowie für die Umsetzung der UN-Agenda 2030. Die wirtschaftliche Stärkung von Frauen ist ein Menschenrecht und Ausdruck von gleichen Gesellschaften. Dabei ist es ein Menschenrecht, zu gleichen Bedingungen am Wettbewerb auf den Arbeitsmarkt teilnehmen zu können. Die UN-Menschenrechtserklärung unterstreicht, dass jede Person dieselbe Rechte und dieselbe Würde besitzt und nicht diskriminiert werden darf. Es gibt kein Land der Welt, das keine diskriminierenden Gesetze gegenüber Frauen hat.
Die Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Frau wird vor allem durch soziale Normen, Vorurteile, Geschlechterstereotypen verhindert. In der Europäischen Union besitzen Frauen grundsätzlichen einen höheren Bildungsabschluss als Männer. Erwerbstätige Frauen haben ein höheres Bildungsniveau als ihre männlichen Kollegen. 34 % der erwerbstätigen Frauen haben ein höheres Bildungsniveau mit Universitätsabschluss bzw. ein vergleichbares Bildungsniveau im Verhältnis zu 28 % der Männer. Dennoch sind das geschlechterbedingte Lohngefälle mit 16,1% und das Rentengefälle mit 40,2% immer noch sehr ausgeprägt.
Die Nichtdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft ist ein Menschenrecht. Abgesehen davon bietet ein gerechterer Arbeitsmarkt auch Vorteile für alle. Die Erwerbsquote kann erhöht werden genauso wie Steuereinnahmen. Eine größere Teilhabe der Frauen am Arbeitsmarkt kann positive Auswirkungen haben. Die Erfahrungen in Leitungsgremien und im öffentlichen Sektor zeigen, dass sich die Einbeziehung von Frauen sowie ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter positiv auswirkt. Ungleichheit darf nicht nur nicht toleriert werden, sondern erfordert auch proaktives Handeln der Regierungen. Dazu fordert auch die UN- Konvention gegen jegliche Diskriminierung der Frau (CEDAW) auf. Eine deutlich verbesserte Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben muss über eine soziale Infrastruktur gewährleistet werden. Sonst wird es nicht möglich, zu gleichen Bedingungen am Arbeitsmarkt zu konkurrieren. Auch die unfreiwillig ausgeübte Teilzeitbeschäftigung könnte bei besserer, aus öffentlichen Mitteln finanzierter Kinderbetreuung- und Pflege abgebaut werden. Eurofound schätzt die Kosten für die Ausgrenzung einer Frau am Arbeitsmarkt über ihr gesamtes Berufsleben hinweg, abhängig von Bildungsniveau auf 1,2 und 2 Millionen Euro. Zur Stärkung zur wirtschaftlichen Stärkung der Frau in der UN müssen auch die traditionell weiblich dominierten Berufe aufgewertet werden.
Gender economic empowerment verlangt einen neuen strategischen Ansatz. Gender economic empowerment heißt:
- höhere Frauenerwerbsquoten im formellen Sektor
- Gute Arbeit: gleicher Lohn, gleiche Arbeitsbedingungen, damit gleiche Rentenansprüche
- menschenwürdige Arbeitsverhältnisse, existenzsichernder Lohn
- Bekämpfung von Frauenarmut, insbesondere von alleinerziehenden Frauen, Rentenausgleich
- Reduzierung des informellen Sektors
- Gleicher Zugang zu Führungspositionen
- Gute Sorge-Infrastruktur
- Gleiche Aufgabeteilung für Männer und Frauen bei Haushalt und Familie
- Gleichstellungspläne in Politik und Wirtschaft, in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst
- Gender Mainstreaming
- Gender Budgeting
Gleichstellungspolitische Aktionspläne helfen wie auf europäischer Ebene, aber auch der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung empfiehlt , Gleichstellungspolitik zielorientiert voranzutreiben.
- Ein effektiveres Gender Mainstreaming in der Gesetzgebung hilft die Folgen von Gesetzen für Frauen und Männer abzuschätzen.
- Eine geschlechtergerechte Haushaltspolitik kann dazu beitragen, dass Frauen und Männer gleichermaßen von staatlichen Leistungen und Investitionen profitieren.
- Wissen über den Stand der Gleichstellung in allen Lebensbereichen ermöglicht es, die Lebenswirklichkeit der Menschen genauer zu verstehen.
- Neue Gremien müssen den Austausch über die geschlechtergerechte Gestaltung bestimmter Politikfelder fördern.
- Eine Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung kann den Transfer von wissenschaftlichem Wissen zur Gleichstellung in die Praxis des Regierungshandelns sichern.
Die Stärkung der wirtschaftlichen Integration von Frauen schafft die Grundlage für die gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter sowie die politische Stärkung von Frauen und Mädchen, die auch dazu beiträgt, ihre Position zu stärken. Dazu gehören die sexuellen und reproduktiven Gesundheitsrechte und der universale Zugang aller hierzu, ohne dass es der Zustimmung von Dritten bedarf. Frauenrechte sind Menschenrechte. Auch deswegen ist Ziel 5 der UN-Agenda von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche, soziale und ökologische nachhaltige Entwicklung.