Europa ade?

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7. November 2018, Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste, Region Hamburg

„In diesen Zeiten des Wandels und im Bewusstsein der Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger bekennen wir uns zur Agenda von Rom und wollen uns für (…) ein soziales Europa einsetzen: eine Union, die auf der Grundlage nachhaltigen Wachstums den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt sowie Zusammenhalt und Annäherung fördert und dabei zugleich die Integrität des Binnenmarktes wahrt; eine Union, die der Unterschiedlichkeit der nationalen Systeme und der Schlüsselrolle der Sozialpartner Rechnung trägt; eine Union, die die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie die Rechte und die Chancengleichheit aller fördert; eine Union, die Arbeitslosigkeit, Diskriminierung, soziale Ausgrenzung und Armut bekämpft; eine Union, in der junge Menschen die beste Bildung und Ausbildung erhalten und auf dem gesamten Kontinent studieren und Arbeit finden können; eine Union, die unser kulturelles Erbe bewahrt und kulturelle Vielfalt fördert.“ „Erklärung von Rom“ der Staats- und Regierungschefs der EU, 25. März 2017.

Die Europawahl 2019 fordert heraus: die Europäische Union durchläuft wieder einmal eine schwere Krise: Brexit und das ungeklärte Verhältnis zu Großbritannien, der Zerfall der westlichen Wertegemeinschaft durch das Amerika Trumps, die Absage an eine multilaterale Weltordnung, durch „America First“, zunehmend bedrohlich die zunehmende Ungleichheit und möglich eine neue Finanzmarktkrise, zerstrittene Volksparteien und wachsender Aufwind für Rechtspopulismus europaweit. Es ist, als ginge die Seele Europas verloren, als habe die europäische Integration, die Überwindung der Grenzen in einem über hunderte von Jahren in Kriegen verfeindete Europa nicht nur an Schwung verloren, sondern auch an Wert. Da geht es nicht mehr um Frieden und Freiheit, Freizügigkeit und Binnenmarkt, Euro-Währung und Freizügigkeit, Leben, Arbeiten und Studieren in der Union: alles wird klein geredet und wird auch kleiner, weil vieles heute so selbstverständlich ist. Das merken Reisende und Studierende oder Jugendliche in Berufsausbildung. Das Programm Erasmus müsste erfunden werden, wenn es nicht schon existieren würde. Ich erinnere mich an meine Zeit als Europaabgeordnete: jedes Jahr strichen die Staats- und Regierungschefs das Programm, jedes Jahr drückten wir es wieder in den Haushalt. Und Erasmus-BotschafterInnen gibt es heute überall, sie leben den europäischen Geist, sie atmen die europäischen Freiheitsträume, sie sind der Zukunft auf der Spur.

Europas Herausforderung

Vor zehn Jahren standen wir vor der schlimmsten Finanzkrise seit 1923. Der Euro und die europäische Zusammenarbeit und der europäische Zusammenhalt, so halbherzig er teilweise auch war, vor schlimmeren Entwicklungen bewahrt. Damals drohte ein nationaler Protektionismus. Auf ein Frankreich First wäre ein Deutschland First gefolgt mit katastrophalen Folgen für die Realwirtschaft, die Unternehmen und vor allem die Arbeitsplätze.Gemeinsam konnte die Krise überwunden werden. Aber die Regulierung der Finanzmärkte ist nicht gelungen. Darum fehlt es den Regierenden an Mut. Beispiele: Immer noch sind die Banken so groß, dass sich ein Bankenkonkurs kein Staat leisten kann. Immer noch fehlt es an Steuergerechtigkeit. Finanzmarktakteure und Digitalkonzerne entziehen sich der Besteuerung.

Wir sind immer noch zu stark auf die Wirtschaftsgemeinschaft Europa fixiert. Schon lange sind wir eine Werte- und Rechtsgemeinschaft, ohne die selbst ein Markt nicht funktionieren kann und darf. Wir sind keine Marktgesellschaft wie es die neoliberale Ideologie und Ökonomie Politik und Gesellschaft glauben macht.

Die Folgen: die schwere Finanzmarktkrise, die Bankenkrise, die auf dem Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes beruhte. Und: Staaten mussten Banken retten und verschuldeten sich hoch. Das arme Griechenland erhielt nur einen Bruchteil der zugesagten Milliarden, weil zunächst die Verbindlichkeiten von Credit Agricole und Deutsche Bank gerettet werden mussten. Mindestens 3000 Euro hat jeder Bürger/jede Bürgerin zur Krisenbewältigung über Steuermittel aufgebracht.

Und sicher können wir auch heute nicht sein, weil die gleichen Akteure noch größer geworden sind, weil dem Funktionieren der Finanzmärkte systemische Krisen immanent sind und sich in anderen Formen immer wiederholen. Nicht einmal die Transaktionssteuer oder der Europäische Währungsfonds sind geschaffen, der Bankenunion fehlen wichtige Elemente. Schattenbanken und digital-automatische Spekulationen sind bis heute nur sehr unzureichend reguliert. Und Deutschland zählt zu denjenigen, die weitere Zusammenarbeitsformen zur Kontrolle sowohl der Finanzmärkte wie der Digitalmärkte blockieren. Antworten auf die vorwärtsweisenden Vorschläge von Macron fehlen genauso wie eigene Ideen, wie Europa zukunftsfest gemacht werden kann. Trippelschritte reichen nicht mehr.

 

Neubesinnung erforderlich

Auch wenn immer noch die Mehrheit in Europa und in Deutschland die Vorteile der europäischen Integration sieht. Die politischen Entscheidungen dürfen nicht an der sozialen Frage unserer Zeit vorbeigehen. Die zunehmenden Ungleichheiten in der Europäischen Union und zwischen den Regionen und Menschen sind zerstörerisch für die europäische Union. Schließlich versprach bereits der Vertrag von Rom allen die Teilhabe an menschenwürdigen gleichen Lebensverhältnissen. Die BürgerInnen geht es besser denn je. Aber nicht alle haben an Wohlstand, 2017 sind 113 Millionen von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht.

 

Soziales Europa

Für viele Menschen in Europa bilden die Werte und Normen, die dem europäischen Sozialmodell zu Grunde liegen, das Herzstück dessen, was es heißt, Europäer zu sein.Wohlfahrtsstaaten üben eine Reihe umverteilender Funktionen aus und schützen die sozial Schwachen. Wohlfahrtsstaaten investieren in das Human -und Sozialkapital der Menschen. Im Laufe ihres Lebens sind eigentlich alle Bürger Europas zeitweise Beitragsempfänger und zeitweise Beitragszahler. Die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte und die Belastung der produktiven Teile der Volkswirtschaften durch die Sozialausgaben werfen jedoch die Frage auf, ob die EU- Länder sich ihre Wohlfahrtsstaaten überhaupt noch leisten können.

Die Wohlfahrtsstaaten, wie sie vor 50 oder mehr Jahren konzipiert wurden, müssen heute neu definiert werden, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Sie sind gezwungen, die umfassenden sozialen Veränderungen zu bewältigen, die mit dem demographischen Wandel, der stärker integrierten Weltwirtschaft und den negativen Auswirkungen des Klimawandels einhergehen.

Die Wohlfahrtsstaaten müssen auch den neuen sozialen Risiken gerecht werden, die mit dem Wandel der europäischen Volkswirtschaften einhergehen, insbesondere im Zusammenhang mit sich ändernden Arbeitsformen und Erwerbsstrukturen. Dabei werden Ressourcen effizienter eingesetzt und die relevanten technologischen Fortschritte so gut wie möglich genutzt werden müssen, ohne dabei Kernprinzipien wie die Solidarität zu opfern.

 

Ungleichheit überwinden

Die Unzufriedenheit der europäischen Bevölkerung mit der zunehmenden Ungleichheit führte 2017 zu Recht endlich zum „Sozialgipfel“. Freier Zugang zum Arbeitsmarkt, Chancengleichheit, soziale Sicherheit und faire Arbeitsbedingungen für alle: Das sind Kernbausteine der “sozialen Säule”. Ein 20-Punkte-Programm, das soziale Mindeststandards für 513 Millionen Menschen in der EU setzt, wurde beschlossen. Zweck der europäischen Säule sozialer Rechte ist die Bereitstellung neuer und wirksamerer Rechte für Bürgerinnen und Bürger. Sie sind allerdings nicht neu, werden nur wiederbelebt. Die soziale Säule baut auf 20 Grundsätzen auf, die in drei Kategorien eingeordnet sind.

1.Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang

2. Faire Arbeitsbedingungen

3.Sozialschutz und soziale Inklusion

  1. Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang

Allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen

Jede Person hat das Recht auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form, damit sie Kompetenzen bewahren und erwerben kann, die es ihr ermöglichen, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und Übergänge auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu bewältigen.

Gleichstellung der Geschlechter

Die Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern muss in allen Bereichen gewährleistet und gefördert werden; dies schließt die Erwerbsbeteiligung, die Beschäftigungsbedingungen und den beruflichen Aufstieg ein. Frauen und Männer haben das Recht auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit.

Chancengleichheit

Unabhängig von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung hat jede Person das Recht auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit im Hinblick auf Beschäftigung, sozialen Schutz, Bildung und den Zugang zu öffentlich verfügbaren Gütern und Dienstleistungen. Die Chancengleichheit unterrepräsentierter Gruppen wird gefördert.

Aktive Unterstützung für Beschäftigung

Jede Person hat das Recht auf frühzeitige und bedarfsgerechte Unterstützung zur Verbesserung der Beschäftigungs- oder Selbständigkeitsaussichten. Dazu gehört das Recht auf Unterstützung bei der Arbeitssuche, bei Fortbildung und Umschulung. Jede Person hat das Recht, Ansprüche auf sozialen Schutz und Fortbildung bei beruflichen Übergängen zu übertragen.

Junge Menschen haben das Recht auf eine Weiterbildungsmaßnahme, einen Ausbildungsplatz, einen Praktikumsplatz oder ein qualitativ hochwertiges Beschäftigungsangebot innerhalb von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Arbeitslose haben das Recht auf individuelle, fortlaufende und konsequente Unterstützung. Langzeitarbeitslose haben spätestens nach 18-monatiger Arbeitslosigkeit das Recht auf eine umfassende individuelle Bestandsaufnahme.

 

2.Faire Arbeitsbedingungen

Sichere und anpassungsfähige Beschäftigung

Ungeachtet der Art und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht auf faire und gleiche Behandlung im Hinblick auf Arbeitsbedingungen sowie den Zugang zu sozialem Schutz und Fortbildung. Der Übergang in eine unbefristete Beschäftigungsform wird gefördert.

Im Einklang mit der Gesetzgebung und Kollektiv- bzw. Tarifverträgen wird die notwendige Flexibilität für Arbeitgeber gewährleistet, damit sie sich schnell an sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen anpassen können.

Innovative Arbeitsformen, die gute Arbeitsbedingungen sicherstellen, werden gefördert. Unternehmertum und Selbstständigkeit werden unterstützt. Die berufliche Mobilität wird erleichtert.

Beschäftigungsverhältnisse, die zu prekären Arbeitsbedingungen führen, werden unterbunden, unter anderem durch das Verbot des Missbrauchs atypischer Verträge. Probezeiten sollten eine angemessene Dauer nicht überschreiten.

 

Löhne und Gehälter

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf eine gerechte Entlohnung, die ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht.

Es werden angemessene Mindestlöhne gewährleistet, die vor dem Hintergrund der nationalen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Familien gerecht werden; dabei werden der Zugang zu Beschäftigung und die Motivation, sich Arbeit zu suchen, gewahrt. Armut trotz Erwerbstätigkeit ist zu verhindern.

Alle Löhne und Gehälter werden gemäß den nationalen Verfahren und unter Wahrung der Tarifautonomie auf transparente und verlässliche Weise festgelegt.

Informationen über Beschäftigungsbedingungen und Kündigungsschutz

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, am Beginn ihrer Beschäftigung schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden, die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergeben, auch in der Probezeit.

Bei jeder Kündigung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht, zuvor die Gründe zu erfahren, und das Recht auf eine angemessene Kündigungsfrist. Sie haben das Recht auf Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung und bei einer ungerechtfertigten Kündigung Anspruch auf Rechtsbehelfe einschließlich einer angemessenen Entschädigung.

 

Sozialer Dialog und Einbeziehung der Beschäftigten

Die Sozialpartner werden bei der Konzeption und Umsetzung der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik gemäß den nationalen Verfahren angehört. Sie werden darin bestärkt, Kollektivverträge über sie betreffende Fragen auszuhandeln und zu schließen, und zwar unter Wahrung ihrer Autonomie und des Rechts auf Kollektivmaßnahmen. Wenn angebracht, werden Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf Unionsebene und auf Ebene der Mitgliedstaaten umgesetzt.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertretungen haben das Recht auf rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in für sie relevanten Fragen, insbesondere beim Übergang, der Umstrukturierung und der Fusion von Unternehmen und bei Massenentlassungen.

Die Unterstützung für eine bessere Fähigkeit der Sozialpartner, den sozialen Dialog voranzubringen, wird gefördert.

 

Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben

Eltern und Menschen mit Betreuungs- oder Pflegepflichten haben das Recht auf angemessene Freistellungs- und flexible Arbeitszeitregelungen sowie Zugang zu Betreuungs- und Pflegediensten. Frauen und Männer haben gleichermaßen Zugang zu Sonderurlaub für Betreuungs- oder Pflegepflichten und werden darin bestärkt, dies auf ausgewogene Weise zu nutzen.

Gesundes, sicheres und geeignetes Arbeitsumfeld und Datenschutz

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf ein hohes Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveau bei der Arbeit.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf ein Arbeitsumfeld, das ihren beruflichen Bedürfnissen entspricht und ihnen eine lange Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglicht.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses.

 

3.Sozialschutz und soziale Inklusion

Betreuung und Unterstützung von Kindern

Kinder haben das Recht auf hochwertige, bezahlbare frühkindliche Bildung und Betreuung.

Kinder haben das Recht auf Schutz vor Armut. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen haben das Recht auf besondere Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit.

 Sozialschutz

Unabhängig von Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und unter vergleichbaren Bedingungen Selbstständige das Recht auf angemessenen Sozialschutz.

Leistungen bei Arbeitslosigkeit

Arbeitslose haben das Recht auf angemessene Unterstützung öffentlicher Arbeitsverwaltungen bei der (Wieder-)eingliederung in den Arbeitsmarkt durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und auf angemessene Leistungen von angemessener Dauer entsprechend ihren Beiträgen und den nationalen Bestimmungen zur Anspruchsberechtigung. Diese Leistungen sollen die Empfänger nicht davon abhalten, schnell wieder in Beschäftigung zurückzukehren.

 Mindesteinkommen

Jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat in jedem Lebensabschnitt das Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen, und einen wirksamen Zugang zu dafür erforderlichen Gütern und Dienstleistungen. Für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, sollten Mindesteinkommensleistungen mit Anreizen zur (Wieder-)eingliederung in den Arbeitsmarkt kombiniert werden.

 

Alterseinkünfte und Ruhegehälter

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Selbstständige im Ruhestand haben das Recht auf ein Ruhegehalt, das ihren Beiträgen entspricht und ein angemessenes Einkommen sicherstellt. Frauen und Männer sind gleichberechtigt beim Erwerb von Ruhegehaltsansprüchen.

Jeder Mensch im Alter hat das Recht auf Mittel, die ein würdevolles Leben sicherstellen.

Gesundheitsversorgung

Jede Person hat das Recht auf rechtzeitige, hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung.

Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf Einkommensbeihilfen, die ein würdevolles Leben sicherstellen, Dienstleistungen, die ihnen Teilhabe am Arbeitsmarkt und am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, und ein an ihre Bedürfnisse angepasstes Arbeitsumfeld.

Langzeitpflege

Jede Person hat das Recht auf bezahlbare und hochwertige Langzeitpflegedienste, insbesondere häusliche Pflege und wohnortnahe Dienstleistungen.

Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose

Hilfsbedürftigen wird Zugang zu Sozialwohnungen oder Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung von guter Qualität gewährt.

Sozial schwache Personen haben das Recht auf angemessene Hilfe und Schutz gegen Zwangsräumungen.

Wohnungslosen werden angemessene Unterkünfte und Dienste bereitgestellt, um ihre soziale Inklusion zu fördern.

 Zugang zu essenziellen Dienstleistungen

Jede Person hat das Recht auf den Zugang zu essenziellen Dienstleistungen wie Wasser-, Sanitär- und Energieversorgung, Verkehr, Finanzdienste und digitale Kommunikation. Hilfsbedürftigen wird Unterstützung für den Zugang zu diesen Dienstleistungen gewährt.

Weitere sozialpolitische und beschäftigungspolitische Forderungen:

Für EU-Bürger und EU-Unternehmen gilt Niederlassungsfreiheit in der ganzen Union: Jeder EU-Bürger darf arbeiten, wo er will. Wichtig ist, dass es kein Lohndumping gibt. Es muss die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit am jeweils gleichen Ort geben, um Lohndumping vorzubeugen und der Einschränkung von Arbeitnehmerrechten entgegenzuwirken. Macron unterstützt diesen Vorschlag, will aber darüber hinaus eine Angleichung von Sozial- und Steuerstandards. Er spricht sich für einen europaweiten Mindestlohn aus, der zunächst den regionalen Gegebenheiten angepasst sein soll. Macrons Plänen zufolge könnten die Sozialabgaben eines Angestellten zwar dort eingezogen werden, wo er arbeitet – dann aber an sein Herkunftsland überwiesen werden. So würden die Nachteile für die Länder vermindert, aus denen gut ausgebildete junge Menschen abwandern.

Europäische Arbeitslosenrückversicherung

Die Idee: Rutschen einzelne EU-Länder in eine wirtschaftliche Krise, kann die zunehmende Arbeitslosigkeit besser gemeinschaftlich abgefedert werden. Die Union würde als Ganzes stabilisiert und Konjunkturverläufe stärker synchronisiert. Deshalb wird seit Jahren über das Modell einer EU-Arbeitslosenversicherung diskutiert. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, ein europäische Arbeitslosengeld könnte 40 Prozent des letzten Einkommens betragen und sechs Monate gezahlt werden. Ein erster Schritt wäre, dass die Staaten der Eurozone sich auf Mindeststandards für ihre nationalen Versicherungssysteme einigen. Danach könnte eine europäische Mindestarbeitslosenversicherung eingeführt werden, die einen Teil der nationalen Versicherung ersetzt. Ob es so kommt, ist fraglich. Zu groß sind die Widerstände in wirtschaftlich starken Ländern wie Deutschland, die auch auf den bürokratischen Aufwand verweisen. Nur aus Italien wurde im Jahr 2017 noch die Forderung einer gemeinsamen Versicherung laut. Möglich wäre aber auch eine zusätzliche europäische Arbeitslosenversicherung, die von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Staaten hilft, über die Kreditaufnahme zum Nulltarif aus einem europäischen Fonds zur Arbeitslosenversicherung ihre eigenen Arbeitslosen besser zu unterstützen

Europäische Arbeitsagentur

Warum ein EU-Arbeitsamt? Weil es nicht sein kann, dass es eine Bankenaufsichtsbehörde gibt, die Bankenstandards überwacht, aber keine Behörde, die aufpasst, dass große Konzerne sich an Arbeitsstandards halten. Es wäre logisch, wenn es neben einem europäischen Mindestlohn und einer europäischen Arbeitslosenversicherung auch die entsprechende Behörde gebe.

Ist Europa unregierbar?

Die Europawahl fordert auch institutionell heraus, weil die Entscheidungsunfähigkeit in Europa zu einem Stillstand in der europäischen Gesetzgebung führt. Im Steuerrecht streiten die EU- Staaten seit 40 Jahren um eine gerechtere Unternehmensbesteuerung. Von einer gemeinschaftlichen Körperschaftssteuer ist die EU weit entfernt, an eine Finanztransaktionssteuer mag niemand denken und für die Besteuerung der Digitalkonzerne denkt man an eine Umsatzsteuer von 3%- Babywindeln sind mit 19% zu versteuern!!Europa ist uneiniger denn je. Das schadet der europäischen Integration, die Frieden und Wohlstand gebracht hat, vor allem für uns Deutsche. Der Solidaritätsgedanke muss neu belebt werden.

Niemand ist zufrieden mit den mühseligen Entscheidungsprozessen des europäischen Regierens. Die Erweiterung hat die Entwicklung weiter verschärft, weil in Bezug auf sensible Themen wie innere oder äußere Sicherheit nur einstimmig Lösungen gefunden werden können. Deswegen wird immer wieder vorgeschlagen, in der Europäischen Union für Reformen zu sorgen. Neben dem Modell der konzentrischen Kreise wird aktuell das Club- Modell wieder diskutiert. Das erste Modell führt zu noch mehr Spannungen, weil niemand Außenseiter sein will, das zweite Modell kann den Zusammenhalt schwächen.

Wichtig ist mir die Erhaltung der institutionellen Struktur der EU mit den Institutionen EU-Rat, EU- Kommission, Europäisches Parlament und vor allem Europäischer Gerichtshof. Die EU ist eine Rechts- und Wertegemeinschaft und mehr als der Binnenmarkt. Das muss herausgestellt werden. Verträge müssen eingehalten werden.

Es gibt den Vorschlag die EU- Politiken, Clubgemeinschaften zuzuordnen, in denen sich Mitgliedstaaten den Beitritt aussuchen können. Sie müssen sich dann aber an die Regeln im „Club“ halten. Für Club- Lösungen werden die Wirtschafts- und Währungsunion, die Migrations- , Asyl- und Schengenpolitik, die Außen- und Sicherheitspolitik und „Sonstige Politiken“ vorgeschlagen. Damit sollen Gesetzesblockaden und Handlungsunfähigkeit ausgeschlossen werden. Auch wenn ich die jetzigen Entscheidungsunfähigkeiten in der EU beklage, kann ich mich nicht für diese Lösung aussprechen. Mein EU- Konzept setzt weiter auf das Europa der zwei Geschwindigkeiten und auf die Verfahren zur verstärkten Zusammenarbeit, die verbessert werden müssen.

Meine Haltung hat Gründe:

Es gibt keine Mehrheiten für Vertragsänderungen, schon gar nicht in den-Ratifikationsverfahren. Die Fehler bei der übereilten großen Erweiterung können mit derartigen Reformen nicht überwunden werden. Eine Reformdiskussion über die Europäische Union interessiert wenige, verschreckt viele. Wichtiger sind die Sorgen, die die Europäische Union überwinden muss:

  1. Zunehmender Nationalismus
  2. Rechtspopulismus
  3. Politische Instabilität
  4. Wirtschaftliche Desintegration, soziale Disparitäten

 

Lackmus-Test Europawahl

Eines ist sicher: Nichts ist sicher. Und nichts bleibt wie es ist.

Dieser Grundsatz gehört fast seit einem Jahrhundert zur Europäischen Union. Lange bevor sie im Jahr 1993 offiziell gegründet wurde, wandelte sie sich ständig. Aber im zurückliegenden Jahrzehnt stockte diese Entwicklung. Zu groß, zu kompliziert, zu undemokratisch – in diese Kritik stimmten viele ein. Doch nur wenige taten etwas dagegen.

Als der französische Präsident Macron den Europäischen Rat betrat, brachte er ein Versprechen mit: die Erneuerung der EU. Der von Macron angekündigte Wandel soll grundlegend sein. In zwei langen Europa-Reden hat er seine Vorschläge der Öffentlichkeit vorgestellt. Seine Visionen ähneln Vorschlägen der Europäischen Kommission. Aber: die Entwicklung der europäischen Integration stagniert.

Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath

Andere Veröffentlichungen: