Helma Steinbach – Erinnerung und Ansporn: Wer nicht kämpft, hat schon verloren!

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Professor Dr. h.c. Christa Randzio-Plath, Hamburg 24. Juli 2018

Helma Steinbach war eine engagierte und kompetente Kämpferin. Sie wusste um das Potenzial von Zusammenschlüssen – durch Gewerkschaften, Genossenschaften und auch politische Parteien für solidarische Gesellschaften und gegen Ungleichheit. Kooperation in einer globalisierten Gesellschaft, starke Gewerkschaften und starke Frauenbewegungen werden als Antwort auf die globalisierten Machtverhältnisse und die Zerstörung kooperativer multilateraler Zusammenarbeit mehr denn je gebraucht.

Die neuen Rechten weltweit zerstören Werte und Grundüberzeugungen und nutzen die Wiedererweckung patriarchaler Herrschafts- und Machtverhältnisse, um sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit zu unterdrücken. Der Kulturkampf von Rechts gegen Frauen breitet sich aus. Sexuelle Selbstbestimmung ist nicht nur durch die AfD gefährdet, in Polen soll Abtreibung unmöglich gemacht werden, in Russland ist Partnergewalt entkriminalisiert worden, in Ungarn blüht die Diskriminierung der Frauen in der Erwerbsarbeit. Der Skandal Lohnungleichheit dauert nun schon 100 Jahre!  Frauen widersetzen sich dieser Entwicklung. Sie müssen das Rollback entschieden aufhalten und überwinden. Mehr Feminismus wird gebraucht. Es ging und geht uns immer um den gleichzeitigen Kampf gegen Diskriminierung und politische und soziale Ungleichheit.

Niemand darf zurückgelassen werden. Diese Botschaft der UN- Agenda 2030 zur sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit war bereits ihr eine Mission. Sie war Frauenrechtlerin, der neue Antifeminismus wäre ihr ein Greul, aber auch Auftrag für Widerstand und Überwindung. Das Recht des Stärkeren hat in einer solidarischen Gesellschaft keinen Platz. Wir wollen Menschenrechte, keine rechten Menschen!

Helma Steinbach forderte gleiche Rechte für Frauen in der Arbeitswelt, auch auf einem SPD- Parteitag 1890! Wir fordern diese Rechte 188 Jahre später immer noch. Die Ungleichheit, die Geschlechterungerechtigkeit treibt uns um: die Erwerbslücke, die Lohnlücke, die Aufstiegslücke, die Rentenlücke, die Zeitlücke, die Sorgelücke, die Digitalisierungslücke müssen geschlossen werden.

Frauen sind die Working Poor auf dieser Welt. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind mehrheitlich Frauenarbeitsplätze. Frauen brauchen wie Männer Arbeitsplätze, mit denen sie ein sicheres, existenzsicherndes Einkommen erzielen können. Auch in Deutschland ist die Armutsgefährdungsquote der Frauen unverändert höher als die der Männer. Deswegen: Schluss mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, mit Minijobs und sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen! Endlose Kettenbefristungen und die prekäre Beschäftigung – europaweit ein Skandal! – werden abgeschafft. Das Rückkehrrecht von Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit muss für alle Betriebe und Betriebsgrößen gelten.

Aber auch das muss sein: Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Herausforderungen für den Staat, alle ArbeitgeberInnen – und alle PartnerInnen! Es darf keine lila Lücke mehr geben.

Artikel 3 Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes garantieren das Grundrecht der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Diese Gewährleistung enthält nicht nur eine objektive Wertentscheidung. Die Gleichstellung muss tatsächlich in der Lebenswirklichkeit der Menschen ankommen. Eine proaktive Rolle des Staates ist erforderlich, so auch die Frauenkonvention der Vereinten Nationen: im Schlafwagen kann Gleichstellung nicht gelingen!

Die Zunahme von autoritären Herrschaftssystemen und rechtspopulistischen Bewegungen beschwören die Gefahr von Stillstand oder Rückschritt. Die Geschlechterstereotype werden genutzt, um Machtfragen auf dem Rücken der Frauen auszutragen, anstatt die Wirkungsgeflechte von Rollenbildern und traditionellen Verhaltensweisen aufzubrechen.

Ich will nicht klagen: Frauen haben viel erreicht- vom Frauenwahlrecht bis zum Recht auf Erwerbsarbeit. Die vielen Gleichstellungsgesetze und Reformen in der Arbeitswelt sind Schritte zum Erfolg. Sie reichen nicht. Hätten Helma Steinbach nicht gereicht. Deswegen möchte ich anspornen:  Gebraucht wird eine für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit zukunftsfeste Gesellschaft. Das geht nicht ohne Frauen und Männer, die in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben möchten. Dafür werden nachhaltige Strukturen und gemeinsinnstiftende Organisationen gebraucht. Für Gewerkschaften und Frauenbewegung heißt es deswegen: wir müssen mehr werden. Wären wir mehr, wären wir stärker.

Gerade für die Zukunft der Arbeit, in der es nicht nur um Geldverdienen zur Existenzsicherung geht- gerade für die Zukunft der Arbeit vor einer weiteren Revolution, die Menschen reicher, aber auch ärmer an der kulturellen Bedeutung von Arbeit machen kann, kann das Menschenrecht auf Erwerbsarbeit nicht genug betont werden. Wir danken Helma Steinbach für ihr mutiges und nachhaltiges Engagement.

Die UN- Menschenrechtserklärung von 1948 macht uns klar. Frauenrechte sind Menschenrechte, auch in der Arbeitswelt, weil alle Menschen gleich an Rechten und gleich an Würde sind. Dem menschen- und frauenverachtenden Rechtspopulismus und neuen Nationalismus müssen wir uns entgegenstellen!

Andere Veröffentlichungen: